New
Yorker Pizza mit Füllung
Von der Pizzeria... " In New York gibt's die besten Pizzas weltweit" schwärmt
Nick - und in der Pizzeria um die Ecke will er es uns heute beweisen.
Das Angebot ist groß und die Pepperoni-Pizza so riesig, das ein
Achtel davon eine sättigende Mahlzeit ist (Rezept).
Autsch!
Beim genußvollen Kauen beißt MArtin jäh auf etwas Hartes.
Ein klebrig mit Käse überzogener Metallklumpen kommt
zum Vorschein.
Gayle ist entsetzt und beschwert sich sogleich beim italo-stämmigen
Pizzabäcker.
Der entschuldigt sich verwundert und wirft den Metallkrümel in den
Müll.
Wenige Bisse später erfühlt MArtins Zungenspitze irritiert
neue anatomische Verhältnisse in der Mundhöhle und einen Krater
im Backenzahn.
Gemeinsam durchwühlen wir die Mülltonne nach unserem morgigen
Vormittagsprogramm und
reservieren einen Zahnarzttermin in der 53. Strasse
Ecke Madison Avenue im 43. Stock für 11Uhr.
Wie mit der Fußgängerformel
für Manhattan voraus berechnet, brauchen wir knapp 30 Minuten,
dann stehen wir vor dem sehr gepflegten Hochhaus mit Zahnarztpraxis.
Vor Betreten der gediegenen Eingangshalle dreht
MArtin abrupt ab und sucht eine unauffällige Kameraposition für
ein derzeit sehr typisches New Yorker Foto:
Im Eingangsbereich des Wolkenkratzers stehen, wie in New York auch
vor Kneipentüren üblich, die gesetzestreuen Raucher
am Pranger - und sich die Eisbeine in den Bauch.
In Büroklamotten.
Im Kalten.
Die eine zittert die Zigarette zum bibbernden Mund, die andere Hand
wärmt
sich, zur Faust geballt, in der Hosentasche.
Das gesetzliche Rauchverbot macht in der synthetischen recycelten
Luft innerhalb der klimatisierten Gebäude
ja durchaus Sinn.
Besonders
edle Wolkenkratzer wie dieser, in dem der empfohlene Zahnarzt
praktiziert, verbitten sich trotz aller Raucherproteste und Diskussionen das
Rauchen aber auch an der frischen Luft vor ihren
Eingangsportalen.
Das ist zwar ganz im Sinne der Nichtraucher-Lobby,
bringt süchtige Raucher aber offenbar in kompromittierend- degradierende
Situationen:
Wie diskriminiert mag
sich ein frierender Raucher hinter
einem Rauchverbotschild im Land der Freiheit wohl fühlen
wenn er, wie gerade gesehen, dann auch noch von einem vorbei kommenden
Vorgesetzten beim
Rauchen
"ertappt"
-
und
mit einer Grimasse
der Verachtung gestraft wird?
Nach 30 süchtigen Raucherjahren ist MArtin seit Abflug
Frankfurt frisch gebackener, endlich
Nichtraucher - und heilfroh darüber.
... an Big Brother vorbei...
Auf dem Weg zu den Liften
hält man uns auf:
" Please look down in the monitor, say your name loud and clearly, the desired
floor and the purpose of your visit, Sir!"
Tatsächlich: Unauffällig von links unten schaut uns aus Hüfthöhe
ein schräg nach oben gerichteter Monitor an.
Sein Bildschirm ist harmlos mattschwarz, so als handele es sich um einen
ausgeschalteten Fernseher.
Wie genial, Kamera und Mikrofon als Monitor zu
tarnen!
Subtile Gehirnwäsche in einem Amerika, in dem bereits Kinder nach Untersuchungen täglich
5,5 Stunden unbeaufsichtigt vor Mattscheiben hocken - und bei dieser amerikanischen
TV-Statistik.
Wahrscheinlich wünschen sich viele Amerikaner sogar, mit ihrer
Glotze sprechen zu können!
Hier müssen sie - [Big
Brother] und ausgefeilte Programme zur Gesichts- und Spracherkennung
hören dankbar zu.
Widerstandslos beeindruckt sagen wir unsere Namen auf und geben dem
Kameramonitor eine Großaufnahme vom Loch in MArtins Backenzahn.
... zum Zahnarzt
Während Astrid die Aussicht auf ein vernebeltes New York genießt,
schwitzt MArtin unter der künstlichen Sonne des Zahnarztstuhles.
Wohl in der Hoffnung, ein neues Inlay anfertigen und berechnen zu können,
fragt der geschäftstüchtige
Zahnarzt suggestiv, ob MArtin denn heftig auf das Inlay gebissen habe.
Sicher sei es dabei verzogen und unbrauchbar geworden.
Es bedarf einer gewissen Überredung, bis er es wenigstens versuchsweise
wieder einsetzt. Und - oh Wunder, es passt noch wie angegossen.
Natürlich könne es sein, dass sich nur der Zement gelöst
habe - allerdings könnte auch ein entzündlicher Prozess zu
Grunde liegen.
"So ganz ohne Beschwerden?" fragen
wir verwundert.
"Oh ja!" - Und je länger der New Yorker Zahnarzt darüber
nachdenke, desto weniger könne er es verantworten, MArtin ohne Röntgenkontrolle
ziehen zu lassen.
Jeder Widerstand scheint zwecklos, der Zahn wird geröntgt.
Erwartungsgemäß mit unauffälligem Befund...
Setting und Professionalität der zahnärztlichen Behandlung
selbst sind jedoch vorbildlich.
Die New Yorker Zahnarztsitzung dauert eine knappe Stunde und kostet
uns 100$, die wir aber nicht in der Budgetauflistung berücksichtigt
haben.
Morgen hat Nick Geburtstag.
Es soll ein ungewöhnlich politischer Tag werden - und wir haben
uns - ganz untypisch - entschlossen, politisch engagiert darüber
schreiben - siehe New York 6
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