Donnerstag
28.12.00/256. Weltreise-Tag:
Sagenhaft
sanft setzt die singapurische Boeing 767 nach gemütlichem Flug um
10 Uhr Ortszeit in Sydney auf.
Wir stellen unsere Uhren 2 weitere Stunden vor auf Ortszeit Sydney.
In Deutschland ist es erst 1 Uhr morgens. Fast unmerklich sind wir
im Laufe unserer Reise gegen
unsere Natur zu notorischen Frühaufstehern geworden! ;-)
Der internationale Flughafen
von Sydney ist bestens organisiert.
Gepäckausgabe,
Zollabfertigung,
Touristeninformation und -Weiterbeförderung- alles läuft wie am Schnürchen.
Schließlich ist man hier während der Olympiade
2000 bravourös mit etwa 250.000 Besuchern fertig geworden. Und das
war ja erst vor 3 Monaten!
Wir tauschen 100 „Amis“ gegen 166 „Aussies“.
Dann besteigen wir das gelbgrüne Flughafenshuttle.
Es bringt uns für 7A$ pro Person Richtung Kings Cross, dem rotlichtigen, drogenverseuchten
Backpacker-Viertel Sydneys.
Die hilfsbereite in Shorts gekleidete Busfahrerin kennt
die Route genau und schmökert während
jeder längeren Rotphase in Jule Vernes Globetrotter- Klassiker „In
80 Tagen um die Welt“.
Das erinnert uns daran, dass auch wir in Bälde die Datumsgrenze überqueren
werden.
Allerdings in entgegengesetzter
Richtung,
sodass wir im Gegensatz zu Phileas Fogg einen Tag unseres eh schon knapp bemessenen RTW-
Jahrestickets (RTW-Tickets
im WRF) verlieren werden.
Mit ihm wollen wir, so der momentane Stand der Dinge, noch bis nach Los Angeles
kommen, bis es dann auf Rädern der Panamericana entlang nach Süden gehen soll...
Trotz ähnlich hoher Temperaturen ist es in Sydney
nicht so schwül wie zuvor in Asien. Dafür brutzelt einem die Sonne bereits früh
morgens vom ozonarmen Himmel Löcher in den Pelz.
Wir kommen also ganz schön ins Schwitzen, während wir in den überfüllten
Backpacker- Herbergen um Kings Cross herum stundenlang und trotzdem
erfolglos ein freies Doppelzimmer suchen.
Die Prämierung Sydneys Millenium- Feuerwerks als weltbestes hat heuer Heerscharen
von Schaulustigen angelockt und die Metropole
platzt aus allen Nähten...
Aber wenn wir schon alle Low- Budget- Unterkünfte der
Viktoria-, Orwell-, und Macleay Street, der Darlinghurst- Road und Springfield
Avenue abklappern müssen, können wir ja gleich ein paar Infos für Dich notieren:
Die Preise liegen für ein Bett im Dormitory um die 20- 30 A$, für ein Doppelzimmer
sind um die 40- 50 A$ zu berappen.
Im Original
Backpackers hat MArtin bereits vor 17 Jahren gewohnt und
gute Erfahrungen gemacht.
Auch diesmal ist der Empfang trotz Überfüllung herzlich und in der kommunikationsfördernden
internationalen Gemeinschaftsküche werden heiße Reisetipps ausgetauscht.
Mierze, den wir in Cherating getroffen hatten, hat ein
Essay
darüber
verfasst.
Danke,
Peter!
Die Traveller
Challis Lodge und das Pink
House haben zwar ein gutes Preis- Leistungsverhältnis, aber keine
Zimmer frei.
Auch das Jolly Swagman Backpackers (e-mail: stay@jollyswagman.com.au)
ist voll
belegt.
Hier zaubert Jorge in seiner Ein- Mann- Küche den ganzen Tag lang äußerst preisgünstig
Nahrhaftes.
Wo sonst bekommt man
wohl ein „All- You- Can- Eat- Barbie“ für 10 A$ ?
Das Bernly Hotel an
Pott’s Point hat schließlich noch eines seiner luxuriösesten Zimmer frei. Aber
höchstens für die nächsten 2 Nächte und nur inklusive Bad, TV und Air Con.
Es kostet uns zwar 100 A$ pro Nacht aber wir sind glücklich, erst mal die müden
Beine auf einem weichen Bett ausstrecken zu können und zwei weitere Tage für
die Suche einer
passenderen Unterkunft zur Verfügung zu haben.
Viel bequemer ist die Zimmersuche
in Sydney per Internet und persönliche Unterkunftserfahrungen in Sydney
kann man im WRF erfragen.
Alle Backpacker- Unterkünfte in Sydney verfügen über stets aktualisierte
große schwarze Bretter mit Job- Auto- und Wohnangeboten.
Wer auf die
Schnelle ein Auto für seine Weiterreise in Australien sucht ist gut beraten,
ein paar Backpacker-Herbergen in Kings Cross abzuklappern und sich die "message
boards" anzusehen. Weil der australische Kontinent am individuellsten
im eigenen Auto erkundet wird, blüht dort ein günstiger Gebrauchtwagen-Markt und
viele KFZ
werden so direkt und günstig von Traveler zu Traveler weiter gereicht!
Die Suche vor Ort ist so deutlich erfolgrehiericher, als eine Internet- Recherche
von Deutschland aus. Dennoch werden auch im WRF gelegentlich australische
Gebrauchtwagen angeboten und gesucht -> Australien.
Station wagons stehen hoch im Kurs, weil man in ihnen auch schlafen/ leben
kann.
Am Nachmittag beginnen wir unsere erste Entdeckungstour
durch
Sydney.
In Kings Cross pulsiert
das Leben 24 Std. am Tag.
Etliche Fastfoodketten haben starke Konkurrenz von osteuropäisch geführten
Fressbuden, deren Auslagen von knusprigen Grillhähnchen, goldenen Pommes,
bunten Pizzen, saftigen Bauern- und Obstsalaten, frischen Falaffeln, krossem
Schweinebauch und kalorienreichen Nachspeisen förmlich überquellen.
Nach neun Monaten asiatischer „Hausmannskost“ lässt uns dieser Anblick das
Wasser im
Munde zusammen laufen und bald bahnt sich das erste „Bratkartoffelverhältnis“ an.
Irgendwie
scheuen
wir uns aber, hier Fotos zu machen.
Cybercafes gibt’s in Kings Cross an jeder Ecke:
Für rund 3 A$/ Std. hocken Hunderte von Travellern an angeschmuddelten Tastaturen
und senden ihre Neuigkeiten in alle Welt.
Auch wenn auf den kleinen Monitoren verschiedene Zeichensätze (auch thailändisch
und japanisch) flimmern, eines haben sie alle gemeinsam: Das sich in Tausenden
von Betriebsstunden unauslöschlich ins Display eingebrannte Logo
von www.hotmail.com.
Mit Bus, Subway und Monorail, hauptsächlich aber zu Fuß erschließen wir uns
Schritt für Schritt Teile von Sydney.
Wo immer wir auch hinkommen,
überall liegen Hochglanzflyer zur weiteren Information bereit und fast immer
ist auch eine Webseite angegeben (www.viewsydney.com).
Natürlich zieht es
uns zuerst zum Hafen, um
endlich auch mal die beiden Wahrzeichen Sydneys, die Opera und
die Harbour
Bridge aus der Nähe zu sehen.
Als es soweit ist, weint Astrid vor Rührung.
Hätte uns jemand vor 2 Jahren erzählt, dass wir Silvester 2000 nach 8 monatiger
Reise in Sydney verbringen
würden – wir hätten ihn wohl ausgelacht.
Ganz in der Nähe liegt das älteste Stadtviertel Sydneys: The Rocks. Hier
haben 1788 ca. 1200 britische Strafgefangene unter unmenschlichen Bedingungen
die ersten Holzhäuser auf Australien errichtet.
Diese existieren
zwar nicht mehr, aber ihre aus Sandstein erbauten Nachfolger in britischem
Kolonialstil wurden aufwendig und detailreich restauriert.
So haben sie, quasi zu Füßen der modernen Hochhausgiganten, auch die letzten
40 Jahre überlebt.
Das Holiday
Inn liegt im Zentrum der historischen Altstadt, wenige Minuten vom „alten
Kleiderbügel“
(wie die Aussies ihre Harbour- Bridge nennen), entfernt. Von seinen höheren
Etagen muss man einen tollen Blick auf Hafen und Feuerwerk haben.
Mehr aus Jux betreten
wir es und erkundigen uns spaßeshalber nach einer Unterkunft. Man schätze sich
glücklich, uns noch Zimmer anbieten
zu können.
Wir bekommen eine weitere Hochglanzbroschüre: "The Rocks
2001" - das ultimative Angebot für 638 A$ pro Nacht (only), der Silvester-
Champagner inklusive, versteht sich.
Kaum zu glauben, dass da bislang jeder widerstehen konnte...
Auf dem Rückweg bummeln wir spätabends noch zwei mal über Kings Cross .
Um diese Zeit ist hier richtig viel los:
Die Chopper versuchen mit sanfter Gewalt, Passanten in ihre rot illuminierten
Etablissements zu schleusen und ausgemergelte junge Mädchen mit
stecknadelkopfgroßen Pupillen in ihren toten Augen halten Ausschau nach potentiellen
Freiern.
Passende Musik: The Pusher, von [Steppenwolf] aus
dem Film [Easy
Rider] .
Dem Tetraplegiker, der täglich
in
seinem Rollstuhl zwischen Sexshop und Fastfood sitzt, ist die Zigarettenspitze
aus dem Mundwinkel gerutscht.
Der herunterbrennende Kippenstummel war ihm auf
das mit
Brandflecken übersäte T-Shirt gefallen.
Wir zünden ihm eine neue Winfield an.
Rauchen ist so ziemlich das Einzige, was er noch alleine kann. Gierig inhaliert
er und rollt als Zeichen seiner Dankbarkeit mit den Augen.
Erst am frühen Morgen betten wir unsere matten Glieder ins kuschelige Doppelbett
des Bernly Hotels.
Morgen werden wir die Suche nach einer billigen Unterkunft in Sydney fortsetzen...
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